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Vorteile der klein- und mittelständischen ÖPNV-Struktur nutzen – Ausschreibungswettbewerb und Fachkräftemangel bleiben Hauptprobleme im ÖPNV

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„Die aktuellen Ereignisse im nördlichen Rheinland-Pfalz zeigen erneut eine Verschärfung der Probleme im öffentlichen Personennahverkehr nicht nur in Rheinland-Pfalz: Der zunehmende Ausschreibungswettbewerb und der Fachkräftemangel sind und bleiben die Hauptprobleme“, so der Geschäftsführer des Mobilitätsverbandes Rheinland-Pfalz MOLO e.V., Guido Borning zu den aktuellen Geschehnissen im nördlichen Rheinland-Pfalz. „Diese Vorkommnisse belegen einmal mehr, dass hier großer Handlungsbedarf besteht“, unterstreicht Borning. Insbesondere der wachsende Fachkräftemangel werde in den Ereignissen mehr als deutlich: Nach einer Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) fehlen aktuell allein bei den mittelständischen Omnibusunternehmen bereits 4.415 Busfahrer + 30.626 Busfahrer, die in den nächsten 10 -15 Jahren wegfallen.

Bestrebungen, den straßengebundenen Öffentlichen Personennahverkehr zu stärken und attraktiver zu gestalten, mit dem Ziel, den Menschen dadurch den Umstieg in den Bus zu erleichtern, sind in aller Munde. Auch die derzeitige Diskussion um eine adäquate Anpassung der Regionalisierungsmittel und der Effekt des ÖPNV bei dem Erreichen der Klimaziele tragen maßgeblich mit dazu bei, dass die Politik parteiübergreifend die ökologischen und ökonomischen Vorteile des Busses mit seinen niedrigen Emissionswerten erkannt hat. Schlagwörter, wie „Qualitätsoffensive im ÖPNV“ und „neue Mobilitätskonzepte“ machen nicht zuletzt in Rheinland-Pfalz die Runde. Es fehlen jedoch schlechterdings die Fahrer.

Der Dachverband der Mobilitätsbranche wünscht sich daher dringend Unterstützung von der Politik bei der Suche nach Lösungsansätzen für den sich zunehmend zuspitzenden Fahrermangel und bei der Entwicklung konkreter Maßnahmen zur Gewinnung von Kraftfahrern. Erste Gespräche u.a. mit der Spitze des rheinland-pfälzischen Verkehrsministeriums gab es bereits. So waren sich die Verbandsvertreter als auch Vertreter der Landesregierung einig, dass Fahrern aus Drittstaaten der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden muss. Dabei sicherte das Verkehrsministerium Unterstützung dahingehend zu, dass der Omnibusfahrer als Mangelberuf anerkannt wird, und dass die Förderpraktiken für die Verkehrsbranche bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern ausgebaut und zielgerichteter ausgestaltet werden.

Im Bereich der steigenden öffentlichen Ausschreibungen bezweifelt der Mittelstandsverband einen fairen Wettbewerb im Lichte des Landestariftreuegesetzes. So müssen Tarifsteigerungen unmittelbar an die Mitarbeiter weitergegeben werden, wobei künftige Tarifabschlüsse in der Regel nicht einpreisbar sind. Die in den Verkehrsverträgen zunehmend eingeführten Lohngleitklauseln beziehen sich auf Indizes, die auf die eigentliche Situation in Rheinland-Pfalz gar nicht übertragbar seien. Momentan fordere die Gewerkschaft ver.di massiv Erhöhungen und Anpassungen beim Manteltarifvertrag. „Solche Steigerungen sind über die lange Laufzeit von in der Regel 10 Jahren nicht vorherzusehen“, so Geschäftsführerkollege Heiko Nagel. „Es ist zu befürchten, dass die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der klein- und mittelständischen Omnibusunternehmen verloren geht, wenn solche Steigerungen eingepreist und nicht entsprechend kompensiert werden“, so Nagel weiter. Die Verbandsvertreter freuen sich darüber, dass inzwischen ein konstruktiver Austausch zwischen allen Beteiligten eingeleitet wurde – Sozialpartner, Land und kommunale Spitzenverbände.

Auch die generelle wirtschaftliche Situation insbesondere der klein- und mittelständischen, in den Regionen verwurzelten Omnibusunternehmen ist nach wie vor problematisch. Durch die sich über viele Jahre hinweg stetig erschwerenden Rahmenbedingungen im ÖPNV beginnend mit der Linienbündelung im Gebiet des VRN im Jahr 2005 bis hin zur Umsetzung des ÖPNV-Konzepts Rheinland-Pfalz Nord sieht sich gerade das private, mittelständische Omnibusgewerbe großen Herausforderungen ausgesetzt. Die klein- und mittelständischen Betriebe werden bei ihrem unternehmerischen Handeln durch die staatlichen Vorgaben im Rahmen der derzeitigen Ausschreibungspraxis im ÖPNV, die bis ins kleinste Detail gehen, auf die reine Fahrleistung beschränkt; unternehmerisches Potential und Knowhow sowie die Kreativität und Innovation speziell der mittelständischen Busunternehmen bleiben ebenso „auf der Strecke“ wie Kundenvorstellungen und Kundenwünsche.

„Durch eine stärkere Nutzung, der gerade den mittelständischen Busunternehmen innewohnenden Flexibilität, Know-how und Kenntnisse der regionalen Gegebenheiten könnte nach unserer Auffassung, ungeachtet der finanziellen Entwicklungen der öffentlichen Haushalte, der ÖPNV weiter optimiert werden“, so der Mittelstandsvertreter Borning weiter. Aus seiner Sicht muss den Omnibusunternehmen eine höhere Verantwortung in die Planung und Gestaltung des Angebots zugebilligt werden, damit diese wirtschaftliche und gleichzeitig kunden- und marktorientiere Leistungen erbringen können.

Die Rolle der Politik sieht der Verband darin, richtungsweisende Rahmenbedingungen zu setzen, um den Wettbewerb nicht nur auf Kostenaspekte zu reduzieren, sondern auch als Antriebsfeder für innovative Ideen und Qualitätsverbesserungen im ÖPNV zu nutzen.

Weiterhin sollten die Nahverkehrsangebote so ausgestaltet werden, dass ein ausreichendes eigenwirtschaftliches Angebot auch zukünftig möglich ist bzw. sollten sich bei wettbewerblichen Verfahren die Größe der Bündel unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des für einen auftragsrelevanten bzw. des im konkreten regionalen Markt anzutreffenden Mittelstands ableiten. Die einzelnen Lose müssen daher eine Größe aufweisen, die eine eigenständige Bewerbung der im regionalen Markt anzutreffen den klein- und mittelständischen Busunternehmen ermöglicht. Auch das kürzlich novellierte rheinland-pfälzischen Nahverkehrsgesetzes eröffne hier durchaus Handlungsspielräume, so Nagel. „Andernfalls ist zu befürchten, dass der Mittelstand bei diesem Prozess deutlich verlieren wird und somit Strukturen, die über Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurden und sich bewährt haben wegbrechen.

Ein Schlag ins Gesicht für die ortsansässige Unternehmen ist die unsägliche Diskussion, ob der ÖPNV sich einer (Re-) Kommunalisiert unterziehen müsste, wie von einigen Kommunalpolitikern aktuell im nördlichen Rheinland-Pfalz eingefordert. „Wenn man vorne hinein auf den Mittelstand vor Ort gebaut hätte, wären solche Probleme höchstwahrscheinlich gar nicht erst entstanden. Dies belegen die reibungslosen Verkehrsaufnahmen vieler Mittelständler.“, bringt es Borning auf den Punkt. Borning macht darauf aufmerksam, dass in diesem Sektor grundsätzlich ein funktionsfähiger Wettbewerb möglich ist, wenn denn die Rahmenbedingungen entsprechend festgelegt werden. „Es stehen nach wie vor eine Vielzahl an Omnibusunternehmen auch in den in Frage kommenden Regionen zur Verfügung. Kommunale Unternehmen sollten daher nicht in Konkurrenz zu privaten Unternehmen treten“, so der Geschäftsführer von MOLO. „Private KMU-Verkehrsunternehmen sind seit Jahrzehnten wichtige Arbeitgeber. Politische, strategische Ziele, beispielsweise beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel, können selbstverständlich auch so gefördert werden, indem sie den ortsansässigen Unternehmen vorgegeben werden. Das Personenbeförderungs- sowie das europäische und deutsche Vergaberecht räumen der öffentlichen Hand hierbei viele Möglichkeiten ein,“ ergänzt Nagel.

Die für den 23.02.2022 angesetzte Konferenz der Verkehrsminister sehen die Verbandsvertreter als große Chance, denn eine Verkehrswende geht nur, wenn die politischen Entscheidungsträger die finanziellen Dimensionen realistisch einschätzen. Die MOLO-Geschäftsführer appellieren dabei, auf die vorhandenen, etablierten klein- und mittelständischen Strukturen in den Regionen zu setzen.

 

MOLO – Mobilität & Logistik Rheinland-Pfalz e.V. ist der Dachverband der rheinland-pfälzischen Verkehrs-, Transport- und Logistikbranche. Der Dachverband bündelt die Interessen der beiden Mitgliederverbände VDV Rheinland e.V. und VVRP Rheinhessen-Pfalz e.V., die wiederum ca. 1400 Unternehmen aus den Bereichen Güterkraftverkehr, Möbeltransport, Kraftomnibusverkehr und Taxi-Mietwagenverkehr vertreten.

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